Corporate Social Responsibility (CSR): Unternehmensverantwortung neu denken
Es ist Zeit für einen erweiterten Begriff der Unternehmensverantwortung
Christopher Wickert, Freie Universität Amsterdam
Zu oft wird Unternehmensverantwortung noch als Reise verstanden, die jedoch niemals endet. Es ist Zeit, sich von wohlklingenden Absichtserklärungen zu lösen und Nägel mit Köpfen zu machen. Neu gedachte Corporate Social Responsibility (CSR) stellt ambitionierte, konkrete und messbare Nachhaltigkeitsziele in den Mittelpunkt. Unternehmerische Innovation und smarte Regulierung gehen dabei Hand in Hand.
Corporate Social Responsibility (CSR) hat sich zu einem der populärsten Buzzwords in der BWL entwickelt. Es gibt kaum Forschende oder Unternehmensführerinnen und Unternehmensführer, die nicht das eine oder andere Statement zu ihrer sozialen, ökologischen und ethischen Verantwortung gemacht haben. Das ursprüngliche Verständnis von CSR hat allerdings einen fundamentalen Wandel erlebt. Auch wenn es in der Unternehmenspraxis oft noch so scheint, hat CSR nichts mehr mit „giving back to society“ zu tun, bei dem erwirtschaftete Gewinne möglichst gönnerhaft in Form von Spenden an die Gesellschaft zurückgegeben werden – die zentrale Frage wäre hier: how is the money spent? Eine moderne Konzeption von CSR hängt auch nicht am Tropf ihres Wertschöpfungspotenzials, dem sogenannten business case. Dies wurde lange Zeit als „win-win“ Rhetorik propagiert, führte aber dazu, dass Unternehmen eben nur dann verantwortungsvoll handeln, wenn dies mit ihren Gewinnzielen vereinbar ist. Das funktioniert manchmal, oft aber nicht – insbesondere bei den wirklich wichtigen Themen wie Klimawandel oder globaler Gerechtigkeit – wie die Forschung eindrücklich belegt[i]. Man hat erkannt, dass der business case für CSR eine allzu schöne Illusion ist, ebenso wie die Vielzahl von freiwilligen Selbstverpflichtungen von Unternehmen oft nicht viel mehr sind als heiße Luft.
Zukunftsgerichtete CSR muss sich von diesen Restriktionen lösen, Nachhaltigkeit und Verantwortung von Wertschöpfungspotenzialen abhängig zu machen. Die zentrale Frage muss lauten: How is the money made? Es geht also darum, möglichst kreativ und innovativ auf die Vielzahl gesellschaftlicher Herausforderungen gemeinsam mit Stakeholdern zu reagieren und Lösungen zu entwickeln. Weder reicht es, allein auf den Gesetzgeber oder das freie Spiel der Märkte zu vertrauen, noch auf die Einsicht von Unternehmen, dass ethische oder gewinnorientierte Motive ausreichend sein würden, CSR so im Kerngeschäft zu implementieren, dass es einen tatsächlichen sozialen und ökologischen Wandel hinzu mehr Nachhaltigkeit hervorruft.
Zu oft wird CSR noch als Reise verstanden, die jedoch niemals endet. Es ist an der Zeit, sich von wohlklingenden Absichtserklärungen zu lösen und Nägel mit Köpfen zu machen: Welche Nachhaltigkeitsziele müssen wir in welchem Zeitraum erreichen und was ist, wenn dies nicht geschieht? Gerade im ökologischen Bereich kommt es auf absolute, nicht relative Ziele an, wie zum Beispiel der stetig steigende Flottenverbrauch in der Autoindustrie trotz gleichzeitig steigender Effizienz zeigt. Im sozialen Bereich muss beispielsweise die Textilindustrie endlich Farbe bekennen und Initiativen wie das Lieferkettengesetz ernsthaft unterstützen und umsetzen – nach drei Jahrzehnten erfolgloser Selbstverpflichtungen ist eine solches Gesetz eine logische Konsequenz.
Was wir also brauchen, und hier stehen sowohl die Forschung als auch Unternehmen in der Verantwortung, ist die Verknüpfung von CSR Maßnahmen an konkrete und überprüfbare soziale und ökologische Kennzahlen. Wo die BWL nicht nur Unternehmen, sondern auch anderen Stakeholdern wie Gesetzgebern und öffentlichen Einrichtungen, NGOs und zivilgesellschaftlichen Organisationen helfen kann, ist, zu einem besseren Verständnis des Zusammenspiels dieser Interessengruppen beizutragen. Damit kann die BWL einen wichtigen Beitrag leisten, nicht lediglich als Hilfsmittel zur unternehmerischen Gewinnmaximierung angesehen zu werden, sondern als Wissenschaft, die die Rolle von Unternehmen in einer nachhaltigen Gesellschaft ergründet und erklärt, und dabei sowohl unbequeme Wahrheiten darlegt als auch innovative Ideen beisteuert.
[i] Vgl. Wickert & Risi (2019). Corporate Social Responsibility (Elements in Business Strategy). Cambridge: Cambridge University Press.