Nachhaltigkeitsbewertung
Fünf Dimensionen zur Weiterentwicklung des betriebswirtschaftlichen Instrumentariums
Edeltraud Günther, TU Dresden
Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung kann im Bewertungsinstrumentarium der BWL in fünf Dimensionen (zeitliche, ökonomische, ökologische, soziale und räumliche) umgesetzt werden. Beispielhaft stehen für die zeitliche Dimension Instrumente wie die Lebenszykluskostenrechnung, für die ökonomische Dimension die Berechnung der Kosten des Nicht-Handelns oder die Entwicklung von Geschäftsmodellen für Kondukte (unerwünschten Output), für die ökologische Dimension die Ökobilanzierung, für die soziale Dimension Stakeholderengagement und Hemmnisanalysen und für die räumliche Dimension die Berücksichtigung des räumlichen Kontextes bei Entscheidungen (Kontingenztheorie).
Nachhaltigkeit (vgl. Günther 2008, S. 48 ff.) beschreibt etymologisch im Deutschen die Fortdauer oder Konstanz von Zuständen, Prozessen und Wirkungen und stellt damit die zeitliche Perspektive in den Fokus. Vom Lateinischen sustenere (aushalten) abgeleitet, steht Nachhaltigkeit einerseits in einer eher passiven Form dafür, unerwünschte Einwirkungen auszuhalten, andererseits in einer eher aktiven Form dafür, einen erwünschten Zustand zu stützen; hier wird die Herausforderung, verschiedenen Perspektiven Rechnung zu tragen, betont. Gemeinhin werden hierunter die Perspektiven von Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft verstanden. Die Metapher eines zu balancierenden Dreiecks zeigt die Herausforderungen einer mehrdimensionalen Bewertung. Eine andere Darstellung der drei Dimensionen erfolgt durch das Schalen-Konzept der Nachhaltigkeit: ohne Umwelt keine Gesellschaft, ohne Gesellschaft keine Wirtschaft. Hinzu kommt die räumliche Perspektive, durch die der spezifische Kontext Berücksichtigung findet.
Doch was bedeutet dies konkret für die Bewertung in Unternehmen? Eine Bewertung verknüpft die objektiv zugänglichen Informationen eines Sachverhaltes mit dem subjektiven persönlichen Wertesystem eines Individuums (im Falle eines Unternehmens die Entscheidungsträger) zu einem Urteil über den entsprechenden Sachverhalt (vgl. Giegrich 1995, S. 255 ff.).
Nachhaltigkeitsbewertung bedeutet entsprechend, dass die objektiv zugänglichen Informationen in den fünf Dimensionen Zeit, Wirtschaft, Umwelt, Gesellschaft und Raum in betriebswirtschaftliche Entscheidungen einfließen.
- Zeitdimension: Die Berücksichtigung der Bedürfnisse künftiger Generationen bedeutet nicht nur, dass Bewertungsansätze im Unternehmen längerfristig auszulegen sind wie dies z.B. die Lebenszykluskostenrechnung umsetzt. Auch Pfadabhängigkeiten und Wechselwirkungen in Form von Synergien und Trade-offs sind zu berücksichtigen.
- Ökonomische Dimension: Oft werden Entscheidungen vertagt, „weil sie sich nicht rechnen“. Dabei wird häufig vergessen, die Kosten des Nicht-Handelns zu berechnen. Nachhaltigkeitsbewertung bedeutet auch, dass Geschäftsmodelle für Funktionen (z.B. Mobilität) statt für Produkte (z.B. Auto) entwickelt werden und dass unerwünschter Output (Kondukte, z.B. Abfall) als wertvolle Ressource gesehen wird.
- Ökologische Dimension: Die Ökobilanzierung erlaubt die Berücksichtigung physikalischer Größen in Entscheidungen, wie z.B. der CO2-Emissionen.
- Soziale Dimension: Unternehmen sind in ein Netzwerk von Akteuren eingebunden, die zu den Entscheidungen beitragen oder diese umsetzen. Instrumente wie das Stakeholderengagement oder die Hemmnisanalyse binden die relevanten Akteure proaktiv in die Bewertung ein.
- Räumliche Dimension: Die Kontingenztheorie stellt den Kontext von Entscheidungen in den Mittelpunkt, so kann die Bewertung gleicher Investitionen an unterschiedlichen Standorten unterschiedlich ausfallen. Hierfür können die politischen, die ökonomischen, die gesellschaftlichen, die technologischen, die ökologischen oder die rechtlichen Rahmenbedingungen ausschlaggebend sein.
Der Rest ist Standard. Will heißen, Unternehmen können mit vielen gewohnten Instrumenten weiterarbeiten, müssen sie aber nach den fünf Dimensionen neu ausrichten und weiterentwickeln (vgl. Günther / Schrack 2021).
Quellenangaben:
Giegrich, J. (1995): Bilanzbewertung in produktbezogenen Ökobilanzen: Evaluation von Bewertungsmethoden, Perspektiven. In: Umweltbundesamt (Hrsg.): Methodik der produktbezogenen Ökobilanzen. Berlin 1995, S. 255-279.
Günther, E. (2008): Ökologieorientiertes Management, München 2008.
Günther, E. / Schrack, D. (2021): Ressourcenmanagement, München 2021.