Sustainable Supply Chain Management

Bewertung und Gestaltung nachhaltiger Lieferketten

Thomas S. Spengler, TU Braunschweig

Supply Chains zur industriellen Produktion umfassen eine Vielzahl von Lieferbeziehungen zwischen Lieferanten, Herstellern und Kunden. Sie haben damit entscheidenden Einfluss auf den ökonomischen Unternehmenserfolg. Während in der betriebswirtschaftlichen Forschung anfangs hauptsächlich ökonomische Ziele zu deren effizienter Planung im Vordergrund standen, hat seit den 1990er Jahren die Erreichung ökologischer und sozialer Ziele gleichermaßen an Bedeutung gewonnen. Sustainable Supply Chain Management hat sich seither zu einem wichtigen Forschungs- und Lehrgebiet der Betriebswirtschaftslehre entwickelt.

Die aktuelle gesellschaftliche und politische Diskussion zur Nachhaltigkeit von Produkten und deren Supply Chains ist vor allem durch ihren Beitrag zum Klimawandel, zur Ressourcenschonung, aber auch zur Verminderung (globaler) gesellschaftlicher Missstände wie Hunger und Armut gekennzeichnet. Im Rahmen der Agenda 2030 wurden von der UNO insgesamt 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) verabschiedet, um die zukünftige globale Entwicklung sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltig zu gestalten1. So nimmt etwa das im Jahre 2023 in Kraft tretende Lieferkettengesetz die Hersteller in die Verantwortung, menschenrechtswidrige Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten zurückzuverfolgen und Maßnahmen zu deren Beseitigung zu ergreifen. Durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz werden umfangreiche Anforderungen an die Ressourcenschonung, etwa durch die Pflicht zur Vermeidung, Verminderung und Verwertung von Abfällen aus der Produktion, aber auch für Produkte am Ende ihrer Lebensdauer, formuliert. Traditionell vorwärts gerichtete Supply Chains sind durch Recyclingprozesse zu schließen und so in Closed-Loop Supply Chains zu transformieren. Dem zunehmenden Klimawandel soll durch das Pariser Klimaschutzabkommen begegnet werden. Es beinhaltet das Ziel, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf möglichst unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Bis zum Jahre 2050 ist demnach eine konsequente Dekarbonisierung aller Lieferketten zu erreichen.

Die zunehmende Globalisierung von Supply Chains stellt hohe Anforderungen an die Kooperation der jeweils beteiligten Unternehmen. In der Regel sind die der Supply Chain zugehörigen Lieferanten von Rohstoffen und Komponenten, die Produzenten, die Konsumenten und auch die zugehörigen Recyclingunternehmen weltweit verteilt, so dass dem Supply Chain Management die Aufgabe der Gestaltung und Steuerung der zugehörigen produktionswirtschaftlichen und logistischen Prozesse zukommt. Während in der Vergangenheit der Fokus auf rein betriebswirtschaftliche Kennzahlen gelegt wurde, sind im Sustainable Supply Chain Management alle drei Säulen der Nachhaltigkeit (ökonomisch, ökologisch, sozial) gleichermaßen zu berücksichtigen. Der Betriebswirtschaftslehre kommt hier die Aufgabe zu, dem Management die benötigten entscheidungsrelevanten Informationen zur Nachhaltigkeitsbewertung bestehender Supply Chains und zur nachhaltigkeitsorientierten Gestaltung zukünftiger Supply Chains bereitzustellen. Die Verarbeitung und Auswertung dieser Informationen erfolgt mittels aktivitätsanalytischer Modellierung sämtlicher Prozesse entlang der gesamten Lieferkette2. Durch den Einsatz multikriterieller Optimierungsmodelle ist es möglich, unter Nachhaltigkeitskriterien effektive und effiziente Supply Chain Konfigurationen zu identifizieren und mittels Methoden des Operations Research eine optimale Koordination der beteiligten Akteure und Prozesse zu erreichen3. Die Betriebswirtschaftslehre hat in den zurückliegenden Jahren maßgebliche Forschungsleistungen zum Sustainable Supply Chain Management hervorgebracht. Dieses im Schnittpunkt der Produktionswirtschaft, der Logistik, des Operations Research und des Nachhaltigkeitsmanagements angesiedelte Forschungs- und Lehrgebiet wird auch in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der aufgeführten gesellschaftlichen Herausforderungen leisten können.

Thomas S. Spengler, TU Braunschweig

Quellenangaben:

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA): Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie Weiterentwicklung 2021 – Langfassung, Artikelnummer 99290 (https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/publikationen/deutsche-nachhaltigkeitsstrategie-weiterentwicklung-2021-langfassung-1875178).

Thies, C.; Kieckhäfer, K.; Spengler, T. S. (2021): Activity analysis based modeling of global supply chains for sustainability assessment, in: Journal of Business Economics, 91 (2), pp. 215–252.

Thies, C.; Kieckhäfer, K.; Spengler, T. S.; Sodhi, M. S. (2019): Operations Research for sustainability assessment of products – A review, in: European Journal of Operational Research, 274 (1), pp. 1–21.