Ökonomische Auswirkungen von mehr Privatsphäre im Internet

Bernd Skiera, Goethe-Universität Frankfurt

Die Online-Werbebranche ist sicherlich eine der Branchen, die am stärksten von der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung betroffen sind. Doch wie groß sind die ökonomischen Auswirkungen wirklich? Betriebswirtschaftliche Forschung hilft beim Beantworten dieser Frage.

Die Online-Werbebranche ist heute eine High-Tech Branche, die Algorithmen gestützt personalisierte Werbeanzeigen in Echtzeit ausliefert. Ermöglicht wurde dies durch die digitale Welt, die das Sammeln von Daten mit Hilfe von Tracking-Technologien wie Cookies gestattet. Der Gesetzgeber hat mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung das Sammeln und Auswerten von personenbezogenen Daten erschwert und damit der Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer höheren Stellenwert gegeben.

Die zentrale Frage für Unternehmen ist, wie groß die damit verbundenen Auswirkungen für die Publisher, also die Webseiten sind, die Werbeplätze im Internet anbieten. Werbetreibende nutzen Daten über Nutzerinnen und Nutzer, um Streuverluste bei der Werbung zu vermeiden. Weniger Streuverluste führen zu einer höheren Zahlungsbereitschaft der Werbetreibenden und damit auch zu höheren Preisen für Werbung.

Im Umkehrschluss sollten also weniger Daten auch niedrigere Preise hervorrufen. Tabelle 1 vergleicht die Ergebnisse der dazu bislang vorliegenden Studien. In einer Studie fallen die Preise nur um 8%, in den beiden anderen Studien aber um 39% und 52%. Publisher haben also mit weniger Daten ein nennenswertes Problem.

Tabelle: Einfluss von weniger Daten (hier Cookies) auf die Preise von Werbeanzeigen im Internet

Studie

Marotta, Abhishek, Acqiusti (2019)

Johnson, Shriver, Du (2020)

Laub, Miller, Skiera (2021)

Datengrundlage

~ 2 Mio. Werbeeinblendungen in den USA

~ 62 Mio. Werbeeinblendungen in den USA

~ 42 Mio. Werbeeinblendungen in Europa

Abhängige Variable

Preis pro Werbeanzeige

Preis pro Werbeanzeige

Preis pro Werbeanzeige

Wert von Tracking

Preisreduktion ohne Tracking: 8%

Preisreduktion ohne
 Tracking: ~52%

Preisreduktion ohne Tracking: ~ 39%

 

Konsumentinnen und Konsumenten haben aber vermutlich auch ein Problem. Warum? Die Publisher müssen auf solche erheblichen Preiseinbrüche natürlich reagieren. Eine Möglichkeit bestände darin, die bisher über Werbeeinkünfte finanzierten Angebote im Internet einzustellen und auf Bezahlangebote auszuweichen. Konsumentinnen und Konsumenten würden also die kostenfreien Angebote im Internet nicht mehr mit ihren Daten und ihrer Aufmerksamkeit für Werbung bezahlen, sondern kostenpflichtige Angebote wahrnehmen müssen, dafür aber keine Daten über sich Preis geben. Ist das besser? Das hängt letztlich von der Präferenz jedes Einzelnen ab. Beides ist aber nicht möglich: Ein Preis von Null und keine Werbung oder das Zurverfügungstellen von Daten. Das wird kein Publisher überleben können. Denkbar wäre, dass gerade einkommensschwache Konsumentinnen und Konsumenten lieber mit ihren Daten als mit ihrem Geld bezahlen. Bei Bezahlangeboten würden diese möglicherweise von hochwertigen Angeboten von Publishern ausgeschlossen werden. Fake-News-Anbieter könnten diese Lücken füllen und spätestens dann entwickelt sich das dann auch zu einem gesellschaftlichen Problem.

Bernd Skiera, Goethe-Universität Frankfurt am Main

 

Quellenangaben:

Johnson, Garrett A., Scott K. Shriver, and Shaoyin Du (2020), „Consumer Privacy Choice in Online Advertising: Who Opts Out and at What Cost to Industry?“, Marketing Science, 39 (1), 33–51.

Laub, Rene, Klaus M. Miller, und Bernd Skiera (2021), „The Value of User-Tracking for Publishers“, Arbeitspapier, Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Marotta, Veronica, Vibhanshu Abhishek, und Alessandro Acquisti (2019), „Online Tracking and Publishers’ Revenues: An Empirical Analysis“, Arbeitspapier, University of Minnesota, Minneapolis.