Digitalisierung und Besteuerung
Guido Förster, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Unternehmensstrukturen und -prozesse werden sich unter dem Einfluss der Digitalisierung gravierend verändern. Dies gilt auch für die Steuerfunktion.
Die Digitalisierung kann als ein Sammelbegriff für technologische Entwicklungen verstanden werden, die eine automatisierte Aufgabenerledigung und die Bewältigung großer Datenmengen erlauben, moderne Formen der Zusammenarbeit erschließen und neue Geschäftsmodelle induzieren. Sie hat erhebliche Auswirkungen auf die Unternehmensbesteuerung, da steuerrelevante Daten in vielen Fällen elektronisch vorliegen und regelbasiert verarbeitet werden. Es verwundert daher nicht, dass die akademische Betriebswirtschaftliche Steuerlehre sich bereits seit den 60er und 70er Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts ausführlich mit dem IT-Einsatz für Steuerdeklarations- und -planungszwecke auseinandergesetzt hat. Mit dem drastischen Verfall der Preise für Speicherplatz und Rechenleistung sowie der weltweiten Vernetzung hat die Bedeutung der Digitalisierung jedoch eine neue Qualität erlangt, die Fiski, Unternehmens- und Beratungspraxis sowie die akademische Betriebswirtschaftslehre vor Herausforderungen stellt und zugleich Chancen bietet.
Dies betrifft zum ersten die steuerlichen Konsequenzen digitaler und digital unterstützter Geschäftsmodelle. Hier wird auf internationaler Ebene eine partielle Neuaufteilung der Besteuerungsrechte zugunsten der Quellenstaaten diskutiert, deren Auswirkungen auf Unternehmensstrukturen und Wertschöpfungsprozesse einer Klärung bedürfen. Gleiches gilt für die Folgen von Digital Services Taxes und die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung.
Zum zweiten rüsten auch die Finanzverwaltungen digital immer stärker auf. Der Trend geht zu real-time und transaktionsbezogenen elektronischen Datenübermittlungen und dem Einsatz moderner Datenanalysetools, wie z.B. in Mexiko, Brasilien, Italien, Polen und Spanien. Hieraus ergibt sich Handlungsbedarf für die Tax-Compliance-Management-Systeme der Unternehmen.
Zum dritten wirkt die Digitalisierung als ein Katalysator für die Neuausrichtung der Steuerfunktion im Unternehmen. Tax Compliance Tools ermöglichen die automatisierte Durchführung von Kontrollen und die Erstellung von Erklärungen, die in Massenverfahren, wie z.B. der umsatzsteuerlichen Kontrolle von Eingangs- und Ausgangsrechnungen, anders gar nicht möglich wären. Zudem helfen Verfahren der künstlichen Intelligenz bei der Identifikation von Ausreißern und Process Mining bei der Überwachung der vorgesehenen Abläufe. Tax Reporting Tools erlauben die effiziente Generierung von Berichten und schaffen damit zugleich Transparenz, Tax Dashboards mit Drill-down-Funktion sowie Systeme der Verrechnungspreissteuerung unterstützen die Steuerplanung. All dies setzt aber in Unternehmen einen erheblich verstärkten Fokus auf die Sicherung der Datenqualität voraus, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Prozessorganisation und die Personalentwicklung.
Herausforderungen entstehen hieraus für die akademische Forschung und Lehre. Die anwendungsorientierte Forschung kann zur Nutzung der Chancen entscheidend beitragen. Die strategische Einbindung der Steuerabteilung und ein intelligentes Datenmanagement ermöglichen die frühzeitige Abschätzung der steuerlichen Folgen unternehmerischer Vorhaben. Die akademische Lehre sollte im Blick haben, dass Absolventinnen und Absolventen künftig nicht nur über steuerliche Fachexpertise verfügen müssen, sondern auch über IT- und Prozessverständnis, sowie Fähigkeiten in der Datenanalyse und im Management.