High-Tech meets High-Touch: Eine Forschungsagenda für die Dienstleistungswende
Digitale Dienstleistungen als Erfolgsfaktor für die Wertschöpfung der Zukunft
Angela Roth, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Tilo Böhmann, Universität Hamburg
Gerhard Satzger, Karlsruher Institut für Technologie
Angetrieben durch die Digitalisierung befindet sich die Wertschöpfung im Umbruch. Neue Trends und Entwicklungen verlangen nach innovativen Geschäftsmodellen auf Basis neuer und weiterentwickelter Nutzenversprechen. Als Ergebnis des Projekts DL2030 identifizieren wir sechs Forschungsfelder, deren erfolgreiche Bearbeitung eine „Dienstleistungswende“ einleiten sollte (Böhmann et al., 2020).
Die Weltwirtschaft steht vor einschneidenden Veränderungen: Künstliche Intelligenz gestaltet Prozesse neu, die Datenökonomie bringt neue Geschäftsmodelle hervor, Vernetzung schafft Möglichkeiten zur Globalisierung und ökologisches Bewusstsein verändert Wertvorstellungen in der Gesellschaft. Diese Trends brechen bisherige Wertschöpfungsmuster und stellen auch die deutsche Wirtschaft vor gewaltige Herausforderungen. Sie bieten zugleich aber auch die Chance für eine Neuausrichtung der bisherigen Sicht auf Produktion, Dienstleistung und Arbeit, die die „Zukunft der Wertschöpfung“ maßgeblich prägen wird.
Unsere Vision ist die sogenannte „Dienstleistungswende”, die maßgeblich durch Digital- und Dienstleistungskompetenz („High-Tech meets High-Touch“) ermöglicht wird: Unternehmen orchestrieren Kundennutzen in digitalen Ökosystemen; sie befähigen ihre Mitarbeitenden durch digitale Assistenten und sind in der Lage, Wertschöpfung zu skalieren und agil weiterzuentwickeln. Um diese Vision und entsprechende Wertschöpfungsmodelle Realität werden zu lassen, sind Ergebnisse in sechs Forschungsfeldern (siehe Grafik) entscheidend (Satzger et al., 2021).
Qualitätsdimensionen: Die gesamte Welt steht vor großen gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen: demografischer Wandel, zunehmende Automatisierung, Klimawandel erfordern ein Umdenken in den Grundlagen wirtschaftlichen Handels. Ökonomische Ziele dürfen nicht mehr die alleinige Zielgröße für qualitative Wertschöpfung sein. Sie müssen konsequent um Werte ergänzt werden, die von Zielen der Nachhaltigkeit und der sozialen Verantwortung geprägt werden.
Ökosysteme: Um langfristig im Dienstleistungsmarkt bestehen zu können, müssen wir besser verstehen, wie Innovation und Wertschöpfung in Ökosystemen stattfindet und wie Ökosysteme nachhaltig betrieben und gesteuert werden können.
Nutzerorientierung: Wir brauchen ein Verständnis für die nutzerorientierte Gestaltung wettbewerbsfähiger und von Nutzer*innen akzeptierter Dienstleistungen. Es werden Mechanismen und digitale Werkzeuge benötigt, damit Leistungen konsequent auf ihre Nutzung ausgerichtet werden können.
Interaktion: Dienstleistungs-, Arbeits- und KI-Gestaltung müssen integriert als eine zusammenhängende Gestaltungseinheit für künftige Wertschöpfungsinnovationen betrachtet werden.
Bürgernahe Dienstleistungen: Die Dienstleistungsforschung muss die digitale Innovation und Transformation in bürgernahen und systemrelevanten Branchen stärken. Alltagsrelevante und öffentliche Dienstleistungen mit einer hohen Sichtbarkeit müssen hierfür in den Fokus genommen werden. Neben der sektoralen Betrachtung von Branchen gewinnen Dienstleistungen für Bürger zunehmend an Bedeutung.
Entwicklungsmethoden: Die klassische, planorientierte Konstruktionslehre stößt bei digitalen Geschäftsmodellen und Ökosystemen an ihre Grenzen. Deshalb ist die Entwicklung von Experimentalkultur fördernden, partizipativen und interdisziplinären Methoden für wirkungsorientierte Wertschöpfung notwendig.
Dienstleistungen repräsentieren heute schon den bedeutendsten Wirtschaftssektor in Deutschland. Die Digitalisierung verändert den Sektor in rasantem Tempo und Dienstleistungskompetenz wirkt zunehmend in allen Branchen. Der Schlüssel für die wettbewerbsfähige „Wertschöpfung von morgen“ ist entschlossenes und gemeinsames Handeln in Forschung und Umsetzung der „Dienstleistungswende“ – entlang der sechs Forschungsfelder.