Customer Lifetime Value und die Vermessung der Kundenbeziehung

Simone Wies, Goethe University Frankfurt

Das wahre Gewinnpotenzial steckt für die meisten Unternehmen nicht in einzelnen Transaktionen, sondern in langanhaltenden Kundenbeziehungen. Auf dieser Erkenntnis beruht ein Großteil der Marketingforschung, die sich seit Anfang der 1990er Jahre mit dem sogenannten Customer Relationship Management beschäftigt.

Eine der wohl wichtigsten Kennzahlen, die aus diesem Ansatz hervorgegangen ist, ist der „Customer Lifetime Value“ (CLV). Kurz zusammengefasst beschreibt der CLV den monetären Wert, den eine Kundin oder ein Kundei über die Dauer der aktiven Kundenbeziehung mit dem Unternehmen realisiert—in anderen Worten ein Instrument, das hilft zu bestimmen, wie rentabel eine Kundenbeziehung für das Unternehmen ist. Denn nicht jeder Kunde ist für ein Unternehmen gleich profitabel oder überhaupt profitabel. In manchen Fällen sind die Kosten für die Beziehungspflege höher als der Gewinn, den das Unternehmen dabei macht. In anderen Fällen werden die knappen Ressourcen auf solche Kunden aufgewendet, die im Vergleich mit anderen einen geringeren Gewinn für das Unternehmen generieren.

Betriebswirtschaftlich ist der CLV dabei wie ein Net Present Value zu verstehen, bei dem die Kundenbeziehung wie eine Investition betrachtet wird, die sich in zukünftigen Perioden auszahlt. In der einfachsten Form wird für die erwartete Dauer der Kundenbeziehung für jede Periode die erwarteten kundenspezifischen Einzahlungen (wie beispielsweise Umsatz) den jeweiligen Auszahlungen (wie beispielsweise Beratung) gegenübergestellt. Komplexere Modelle berücksichtigen dabei auch Faktoren wie das Cross-Selling-Potenzial, die Zahlungsbereitschaft oder das Referenzpotenzial des Kunden. Der daraus resultierende Zahlungsstrom wird entsprechend der Periode abgezinst, damit Zeitwert und Risiko des erwarteten Zahlungsstroms berücksichtigt werden. Um den jeweiligen CLV eines Kunden zu ermitteln, werden im letzten Schritt diese diskontierten Zahlungsströme über den Betrachtungszeitraum summiert und um mögliche Akquisitionskosten bereinigt. Ein solcher investitionstheoretischer Ansatz geht weit über die rein transaktionsorientierte oder umsatzorientierte Betrachtung von Kunden hinaus, die viele Jahrzehnte als Workhorse im Marketing dienten. Vielmehr steht beim CLV das zukünftige Ertragspotenzial einer Kundenbeziehung im Sinne einer wirklichen Investition im Vordergrund.

Als eine lohnende Investition verstehen auch immer mehr Unternehmen den Einsatz von CLV-Modellen. Sie erfreuen sich großer Beliebtheit, insbesondere in Unternehmen, in denen das Marketing datenbasiert und nicht nach Bauchgefühl ausgesteuert wird. Denn wenn die profitablen und unprofitablen Kundengruppen identifiziert sind, können diese mit gezielt zugeschnittenen Marketingmaßnahmen angesprochen und gemanagt werden. So rechtfertigt beispielsweise ein hoher CLV auch höhere Budgets für die Betreuung bestimmter Kunden, selbst wenn diese kurzfristig unprofitabel erscheinen. Gleichzeitig kann ein niedriger oder sogar negativer CLV fehlgeleitete Neukundenakquise oder ungezielte Marketingausgaben verhindern und sogar bedeuten, dass Unternehmen sich von Kundinnen und Kunden trennen sollten. Zusammengefasst ist der CLV eine wichtige steuerungsrelevante Kennzahl, die ihre Anwendung im Marketing, ihren Ursprung in einer Vielzahl von betriebswirtschaftlichen Feldern, und ihre Zukunft in immer weiter ausgereiften Analytics hat.

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Im restlichen Text wird einfachheitshalber die männliche Schreibweise verwendet; sie schließt aber auch weibliche Personen (d.h., Kundinnen) mit ein.