Personalökonomie - ein erwachsen gewordenes Forschungsfeld

Uschi Backes-Gellner, Universität Zürich

Die Personalökonomie hat sich ausgehend von einer Personalwirtschaftslehre mit allenfalls ökonomischen Spurenelementen, über eine Disziplin in den Kinderschuhen und einem ökonomischen Silberstreif am Horizont zu einer ausgewachsenen, international anerkannten Forschungsdisziplin entwickelt. Sie ist heute theoretisch breiter aufgestellt, empirisch federführend an der internationalen Forschungsfront und mit zunehmendem Einsatz von randomisierten oder natürlichen Feldexperimenten praxisrelevanter denn je.

Seit Wunderer und Mittmann98 1983 die Diskussion starteten, ob Personalwirtschaftslehre eine ökonomische Disziplin sei und sein solle, war die Frage nach der Ausrichtung der Personalwirtschaftslehre immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Diskurse. Während sich am Anfang der Diskussion allenfalls „ökonomische Spurenelemente“1 in der Personalwirtschaftslehre fanden, und Hax noch 1991 festhielt, dass die Personalwirtschaftslehre keine ausreichende ökonomische Fundierung habe2, begann sich Mitte der 1990er Jahre das Bild zu ändern.

Personalwirtschaftslehre begann sich auch als ökonomische Disziplin zu etablieren: So hielt Backes-Gellner3 1993 in einem programmatischen Beitrag fest, dass „Personalwirtschaftslehre auch eine ökonomische Disziplin sein solle“ und bereits 1994 erkannten Sadowski et al. einen „ökonomischen Silberstreif am Horizont“4. Im Jahr 1996 wurde der erste Lehrstuhl mit personalökonomischer Ausrichtung an der Universität zu Köln und im Jahr 1997 der zweite an der Universität Bonn eingerichtet. 1998 wurde das erste Kolloquium zur Personalökonomie ins Leben gerufen, das später als ‚Colloquium on Personnel Economics’ (COPE) international ausgebaut wurde.5 Es folgten weitere Lehrstühle und Anfang der 2000er Jahre auch zwei deutschsprachige Lehrbücher von Backes-Gellner, Lazear und Wolff 2001 und von Sadowski 2002,6 die endgültig die Personalökonomie als festen Bestandteil der Betriebswirtschaftslehre etablierten.

Parallel zu dieser Entwicklung wurde Kritik an einer zu starken ökonomischen Ausrichtung der Personalwirtschaftslehre laut. Weibler und Wald meinten 2004 gar eine „ökonomische Hegemonie und die Krise einer Disziplin“ ausmachen zu können.7 Sie vermuteten eine theoretische Verengung, glaubten eine mangelnde empirische Überprüfung theoretisch behaupteter Zusammenhänge ausmachen zu können, und sagten der Personalökonomie eine eingeschränkte Praxisrelevanz vorher. Obwohl, oder gerade weil die vorgebrachten Kritikpunkte schon damals den Fakten nicht stand hielten - wie Backes-Gellner/Pull in ihrer Replik „Quo vadis Personalökonomik?“ belegten -, haben sich die Vorhersagen aber in keinerlei Hinsicht bewahrheitet.8

Die Personalökonomie ist heute eine sehr weit entwickelte Wissenschaftsdisziplin. Sie ist theoretisch breiter, empirisch ausgewiesener und praxisrelevanter denn je. So schlussfolgerten 2017 etwa Grund et al., dass die Anwendung ökonomischer Prinzipien auf Probleme des Human Resource Managements eine Selbstverständlichkeit geworden sei.9 Personalökonomie sei zwar als theoretisches Forschungsfeld gestartet, habe sich dann aber schnell zu einem stärker empirischen Feld entwickelt, das sich großer administrativer Datensätze, firmeninterner Prozessdaten oder Linked-Employer-Employee Datensätze bedient und ausgefeilte ökonometrische Methoden nutzt, um ein immer größeres Set an Fragen zur betrieblichen Personalpolitik, ihrer Einbettung in Märkte und ihrer Abhängigkeit von Persönlichkeitsmerkmalen der Arbeitnehmer adressieren zu können – was sich bspw. auch in einem neuen Lehrbuch von Schneider/Sadowski/Frick/Warning (2020)niederschlägt.10 Außerdem verwendet die Personalökonomie zunehmend auch randomisierte Feldexperimenten, was einerseits die Untersuchung kausaler Wirkungen konkreter personalpolitischer Maßnahmen und andererseits eine noch stärkere Praxisrelevanz befördert.

Parallel zu diesen empirischen Entwicklungen hat sich die Personalökonomie aber auch aus theoretischer Perspektive weiterentwickelt und ist durch den Einbezug von Erkenntnissen aus Behavioural Economics, Psychologie, Arbeitsrecht oder Industrielle Beziehungen in unterschiedlichsten Richtungen anschlussfähig geworden. Personalökonomie geht zunehmend über die Grenzen der eigenen Disziplin hinaus wie von Backes-Gellner/Bessey/Pull/Tuor (2008), Grund et al. (2017) und Sadowski 2018 übersichtsartig gezeigt wird.11

Die Personalökonomik ist als Disziplin also erwachsen geworden. Sie ist zwar weiterhin fest in der Ökonomik verankert, ist aber heute - nachdem sie sich ihres eigenen disziplinären Fundaments versichert hat – mehr denn je anschlussfähig zu anderen Disziplinen und geht bewusst auch über enge disziplinäre Grenzen hinaus. Die Personalökonomie hat sich zu einem international starken Forschungsfeld entwickelt, das basierend auf ökonomischen Analyserahmen die Erkenntnisse aus vielen Nachbardisziplinen zusammenbringt und empirisch auf vielfältige Weisen inkl. Feldexperimenten überprüft – und diese Öffnungen sind gut so, denn damit wird die Personalökonomie auch noch stärker praxisrelevant.

 

Prof. Dr. Dr. h.c. Uschi Backes-Gellner, Universität Zürich

Quellenangaben:

Wunderer, R.; Mittmann, J. (1983) 10 Jahre Personalwirtschaftslehre – von Ökonomie nur Spurenelemente. DBW 43(1983): 623-655.

Hax, H. (1991) Theorie der Unternehmung – Information, Anreize und Vertragsgestaltung. In: Betriebswirtschaftslehre und ökonomische Theorie. Hrsg. Ordelheide, D; Rudolph, B.; Büsselmann, E., Stuttgart, 1991, S. 51-74.

Backes-Gellner (1993) Personalwirtschaftslehre - eine ökonomische Disziplin?! Diskussionsbeitrag zur Personalwirtschaftslehre im deutschsprachigen Raum." ZfP, 7(1993)4: 513-530.; Backes-Gellner (2004) Personnel Economics: An Economic Approach to Human Resource Management. Management Revue, 15(2004)2: 215-227.

Sadowski, D.; Backes-Gellner, U.; Frick, B.; Brühl, N.; Pull, K.; Schröder, M.; Müller, C. (1994) Weitere 10 Jahre Personalwirtschaftslehren - ökonomischer Silberstreif am Horizont." DBW, 54(1994)3: 397-410.

vgl. https://personneleconomics.eu/index.php.

Backes-Gellner, U.; Lazear, E.; Wolff, B. (2001) Personalökonomik. Fortgeschrittene Anwendungen für das Management. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 2001.; Sadowski, D. (2002) Personalökonomie und Arbeitspolitik, Schaeffer-Poeschel, Stuttgart 2002.

Weibler, J.; Wald, A. (2004) 10 Jahre personalwirtschaftliche Forschung – Ökonomische Hegemonie und die Krise einer Disziplin. In: DBW 64(2004): 259-275.

Backes-Gellner, U.; Pull, K. (2005) Quo vadis Personalökonomik? Stellungnahme zum Beitrag '10 Jahre Personalwirtschaftliche Forschung – ökonomische Hegemonie und die Krise einer Disziplin'. DBW, 65(2005): 89-94.

Grund, Ch.; Bryson, A.; Dur, R.; Harbring, Ch.; Koch, A.; Lazear, E (2017) Personnel Economics: A research field comes of age. German Journal of Human Resource Management. 2017, p. 1-7.

10 Martin Schneider / Dieter Sadowski / Bernd Frick / Susanne Warning (2020) Personalökonomie und Personalpolitik. Grundlagen einer evidenzbasierten Praxis. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 2020.

11 Backes-Gellner, U.; Bessey, D.; Pull, K.; Tuor, S. (2008) What Behavioural Economics Teaches Personnel Economics." Die Unternehmung. 62(2008)3: 217-234; Sadowski, D. (2018) Personalökonomie und Personalwirtschaftslehre – eine Spurensuche. In: Matiaske, W.; Weber, W. (Hrsg): Ideengeschichte der BWL. Wiesbaden: Springer, 2018.