Gig Work
Ein Phänomen zukünftiger Arbeitswelten
Stephan Kaiser, Universität der Bundeswehr München
Die Plattformökonomie verändert die Arbeitswelt zunehmend. Immer mehr Aufgaben lassen sich über Plattformen an unabhängige Arbeitskräfte vermitteln. Dies verändert nicht nur die Beschäftigungssysteme, sondern grundlegend die Koordination arbeitsteiligen Handelns und unser Verständnis von Organisationen.
Unter Gig Work werden Arbeitsformen verstanden, bei denen überschaubare Dienstleistungsaufträge an Solo-Selbständige (Freelancer) vergeben werden. Der Begriff „Gig Work“ entstammt der Musikbranche, in der Musiker oder Bands für einzelne „Gigs“ beauftragt und bezahlt werden. Die Vergabe einzelner „Gigs“ erfolgt heute meist über digitale Plattformen, weshalb Gig Work als ein Phänomen der Plattformökonomie gelten kann. Bekannte Plattformen sind etwa Fiverr, Upwork, PeopleperHour, Guru, usw.
Die Arbeitsaufgaben und Dienstleistungen, die Gig Worker erbringen, können, müssen aber nicht digitalisierbar sein. So kann nicht nur die Lösung eine Programmieraufgabe, sondern beispielsweise auch ein physischer Lieferdienst über Gig Work Plattformen organisiert werden. In der Forschung und Unternehmenspraxis wird diskutiert, dass Gig Work eine Form der Arbeit ist, die sich aufgrund der stärkeren Digitalisierung und Modularisierung von Aufgaben immer mehr verbreiten wird. Genaue Zahlen zur Verbreitung von Gig Work existieren zwar nicht, aber jüngere Studien gehen davon aus, dass die Zahl der Gig Worker bisher unterschätzt wurde. Die Konsequenzen von Gig Work für die Organisation von Arbeit sind erheblich und facettenreich. Sie lassen sich auf drei Ebenen − Individuum, Organisation und Managementsystem − skizzieren.
Individuum: Zunächst entsteht mit Gig Work eine neue Form der Beschäftigung, die sich nicht nur von der traditionell abhängigen Beschäftigung, sondern auch von klassischen Freelancern, die längerfristige Aufträge direkt für einen Auftraggeber erledigen, unterscheidet. Die Gigs sind kurzfristig und werden über die Plattform vermittelt. Der Wettbewerb in dieser Plattformökonomie ist zumindest für digitale Dienstleistungen global, d.h. Gig Worker konkurrieren mit den Preisen für ihre Angebote weltweit. In der Literatur werden diese und andere Punkte kritisch diskutiert, da in einigen Feldern eine Prekarisierung von Arbeit zu befürchten ist und die unternehmerische Verantwortung auf die Schultern des Gig Workers gelegt wird. Nicht alle Gig Worker arbeiten freiwillig als Gig Worker, sondern sie sind zum Teil aus Mangel an Alternativen dazu gezwungen.
Organisation: Aus Sicht von Unternehmen, die Dienstleistungen über Plattformen an Gig Worker vergeben, lassen sich unterschiedliche Aspekte anführen. Zunächst sind durch die Gig Economy neue Geschäftsmodelle und Unternehmen entstanden. Das Beispiel „Uber“ als neuer Player im Taxigeschäft ist allen bekannt. Aber auch bestehende Unternehmen erleben durch die Nutzung von Gig Work eine Auflösung von organisationalen Grenzen, die bisher durch die Verortung organisationalen Wissens bei Beschäftigten und durch die arbeitsvertragliche Mitgliedschaft gesetzt wurden.
Managementsystem: Das Managementsystem von Gig Work hat drei Parteien. Neben dem einzelnen Gig Worker sind dies die auftraggebenden Unternehmen und die vermittelnden Plattformen. Innerhalb dieses Dreiecksverhältnisses wird das Beschäftigungssystem Gig Work gemanagt. Unternehmen übergeben dabei klassische Aufgaben des Managements von Personal an die Plattformen ab, die diese Aufgaben häufig durch digital-technische Systeme lösen. Personalbeurteilung wird z.B. durch Bewertungssysteme, wie sie aus dem Onlinehandel bekannt sind, abgelöst. Gleichzeitig müssen Gig Worker Aufgaben des Personalmanagements übernehmen, indem sie sich beispielsweise selbst fort- und weiterbilden, um auch in Zukunft beschäftigungsfähig zu sein.