Kernkompetenzen

Wettbewerbsvorteile in der Tiefenstruktur der Organisation schürfen

Jetta Frost, Universität Hamburg

Kernkompetenzen sind strategisch relevante, schwer imitierbare Ressourcenbündel, die nachhaltig verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile begründen.

„Nur Kernkompetenzen sichern das Überleben“ hieß selbstbewusst die deutsche Übersetzung eines der ersten Beiträge zu einem damals neuen strategischen Konzept (Prahalad/Hamel 1991). Inzwischen sind Kernkompetenzen fest etabliert in der Sprache der Unternehmenspraxis. Zur Popularität mag die visuell eingängige Metapher eines Baums beigetragen haben, um das Verhältnis zwischen Kernkompetenzen und marktfähigen Produkten zu verdeutlichen: Kernkompetenzen entsprechen darin den im Erdreich verborgenen, den Baum nährenden Wurzeln, aus denen Kernprodukte als Stamm und dicke, tragende Äste hervorgehen. Die dünneren Äste symbolisieren Geschäftseinheiten und die Blätter die Endprodukte.

Wie nun aber sichern Kernkompetenzen das Überleben? Das Konzept der Kernkompetenzen bietet eine zusätzliche Perspektive auf die klassische Frage im strategischen Management, wie es trotz Wettbewerb möglich ist, einen nachhaltigen, überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg zu erzielen. Bis anhin dominierten marktorientierte Strategieansätze, die mit Planungsinstrumenten wie der Branchenanalyse oder dem Marktwachstums- und Marktanteilsportfolio Wettbewerbsvorteile auf monopolistischen Renten zurückführten. Kernkompetenzen hingegen richten den Blick auf die Ressourcen eines Unternehmens. Nachhaltig verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile entstehen als Effizienzrenten durch die Ausnutzung von Ressourcenvorteilen. Damit rücken strategisch relevante, unternehmensspezifische Ressourcenbündel in den Mittelpunkt einer ressourcenorientierten Unternehmensstrategie („resource-based view“, Wernerfelt 1984). Sie sind geeignet, immer wieder innovative Produkte und Dienstleistungen hervorzubringen und neue Märkte zu erschließen. Solche Ressourcenbündel werden zu Kernkompetenzen, wenn sie bestimmte Anforderungen erfüllen. Dazu gehören (Barney 1991): Erstens stiften die Ressourcenbündel einen wahrnehmbaren, geldwerten Zusatznutzen für Kunden, weil sie auf neue Problemlösungen transferierbar sind. Zweitens sind die Ressourcenbündel knapp und unternehmensspezifisch, d.h., es gibt für sie keine einfachen Beschaffungs- und Absatzmärkte, auf denen sie handelbar oder einfach auf andere Unternehmen übertragbar sind. Drittens sind sie nur sehr schwer durch andere Ressourcen substituierbar. Und viertens sind strategische Ressourcenbündel schwer imitierbar. Dieses Kriterium nimmt eine besondere Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit ein, weil solche Ressourcenbündel nur innerhalb spezifischer Unternehmensstrukturen und -kulturen ihre Wirkung entfalten. Kernkompetenzen schürfen Wettbewerbsvorteile in der Tiefenstruktur der Organisation. Schwer imitierbar sind Ressourcenbündel, wenn sie durch organisatorische Erbschaften und Pfadabhängigkeiten geprägt sind, diffuse Kausalzusammenhänge aufweisen, d.h. sich also nicht genau der Zusammenhang zwischen Ressourcenausstattung und Wettbewerbsvorteil auseinanderdividieren lässt, sich durch Verflechtungen untereinander auszeichnen und wenn ihnen Akkumulationseffizienz zugrunde liegt, d.h. sie umso besser entwickelt werden können, wenn bereits eine gewisse absorptive Kapazität, ein Vorwissen, über den Wert solcher Ressourcen im Unternehmen besteht.

Aus diesen Anforderungen ist zu folgern: Es gibt es keine einfachen externen Beschaffungsmöglichkeiten. Die organisationalen Voraussetzungen müssen so gestaltet werden, dass neue Ideen, neues Wissen kontinuierlich aufgebaut, in der idiosynkratischen Tiefenstruktur verflochten und im Unternehmen zu kundenorientierten Problemlösungen diffundieren kann. Obwohl die Grundidee bestechend einfach, mit der Metapher des Baums fast banal klingt, steckt hinter dem Konstrukt mehr als eine rhetorische Arena. Denn die Fähigkeit einer Organisation, unternehmensspezifische Kernkompetenzen generieren und langfristige Innovationsfähigkeit sicherstellen zu können, wird auch in Zukunft wettbewerbsentscheidend sein, gleich welche neuen Managementmoden am Horizont aufziehen.

 

Quellenangaben

Barney, J. (1991). „Firm Resources and Sustained Competitive Advantages”. Journal of Management 17(1): 99-120.

Prahalad, C. K. & Hamel, G. (1991). “Nur Kernkompetenzen sichern das Überleben”. Harvard Manager 13(1): 66-78.

Wernerfelt, B. (1984). “A Resource-based View of the Firm”. Strategic Management Journal 5(2): 171-180.