​​​​​​​DRGs - ein Glücksfall für die BWL?

Jonas Schreyögg, Universität Hamburg

Diagnosis Related Groups (DRGs) haben betriebswirtschaftliches Denken im Krankenhaussektor implementiert. Diese Transformation der Krankenhäuser diente als wissenschaftlicher Gegenstand in zahlreichen betriebswirtschaftlichen Fächern und hat die Entwicklung des Faches „Management im Gesundheitswesen“ an Universitäten befördert.

Wer kennt sie nicht, die Diagnosis Related Groups, kurz DRGs? Sie sind seit Jahren in aller Munde und spielen aktuell sogar im Bundestagswahlkampf eine gewisse Rolle. Sie bezeichnen diagnosebezogene Fallgruppen, die in Deutschland sowie fast allen OECD Staaten in unterschiedlichen Ausprägungen zur pauschalen Vergütung von Krankenhausleistungen herangezogen werden. DRGs wurden zunächst nur als medizinisches Klassifikationssystem zur Gruppierung homogener Fälle von Krankenhäusern entwickelt. Es sollte die die Transparenz des Leistungsgeschehens eines Krankenhauses erhöhen. Erst später wurde dieses Klassifikationssystem als Vergütungssystem genutzt, so wie wir es seit dem Jahre 2004 in Deutschland kennen.

Heute gruppieren DRGs in Deutschland rund 22 Mio. stationäre Behandlungsfälle im Jahr in Gruppen mit vergleichbaren Patienten ein. »Vergleichbar« bezieht sich dabei sowohl auf die (Haupt-)Diagnose, d. h. der wesentliche Behandlungsgrund (daher der Name »diagnosis«-related group), als auch auf den Ressourcenaufwand, der in Krankenhäusern im Durchschnitt für Diagnostik und Therapie entsteht. Dadurch ist es möglich geworden, den »Output« von Krankenhäusern – jenseits von »Fällen« – genauer zu charakterisieren und intern und extern transparent und zwischen Krankenhäusern und über die Zeit hinweg vergleichbar darzustellen.

Die Fallpauschalen, die für die homogenen Fallgruppen an die Krankenhäuser gezahlt werden, sind dynamisch und entsprechen jeweils den Durchschnittskosten der Krankenhäuser von vor zwei Jahren. Dem Grundgedanken des Yardstick-Wettbewerbs nach Shleifer (1985) folgend, sollen die Krankenhäuser so in einen Effizienzwettbewerb untereinander eintreten. Krankenhäuser, deren Kosten für eine Fallpauschale oberhalb der Vergütung, d.h. der Durchschnittskosten des Marktes liegen, werden angereizt, ihre Kosten zu senken – beispielsweise durch die Vermeidung von unnötigen Untersuchungen, Reduzierung der Verweildauer und durch technische Innovationen. Liegen die Kosten eines Krankenhauses unterhalb der Vergütung dann wird ein Überschuss erwirtschaftet. Dieser Vergütungsmechanismus überträgt die Gewinn- und Verlustverantwortung auf die Krankenhausführung (Busse, Schreyögg, Stargardt, 2017)

Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive hat die Einführung von DRGs in Deutschland dazu geführt, dass Krankenhäuser jeglicher Trägerschaft über die Jahre betriebswirtschaftliche Methoden implementiert haben. Diese Transformation diente als Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten in nahezu allen betriebswirtschaftlichen Fächern. Die betriebswirtschaftliche Transformation des Krankenhauswesens als größter Sektor des Gesundheitswesens dürfte auch die Entwicklung des Faches „Management im Gesundheitswesen“ befördert haben. Mittlerweile existieren mehr als 35 BWL Lehrstühle an Universitäten im deutschsprachigen Raum für dieses Fach.

Auch wenn die Einführung von DRGs zweifellos das betriebswirtschaftliche Denken in Krankenhäusern befördert hat, bleibt bis heute unklar, ob die DRG Einführung in Deutschland und anderswo kausal die technische Effizienz sowie die Versorgungsqualität des Krankenhaussektors beeinflusst hat. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Einführung in fast allen Ländern ohne Kontrollgruppendesign erfolgte. Mittlerweile legt die Evidenz aus Studien allerdings nahe, dass DRGs als alleiniges Vergütungssystem einen zu einseitigen Anreiz zur Maximierung der Fallzahlen hervorruft. Daher haben viele Staaten DRGs durch andere Vergütungskomponenten ergänzt, die u.a. die Vorhaltung bestimmter notwendiger Leistungen honorieren. Diese Modifikation wird auch in Deutschland diskutiert.

Jonas Schreyögg, Universität Hamburg

Quellenangaben:

Busse R, Schreyögg J, Stargardt T (Hrsg.) (2017) Management im Gesundheitswesen. Springer Verlag: Berlin Heidelberg, 4. Auflage.

Shleifer A (1985) A theory of yardstick competition. Rand Journal of Economics 16: 319–327.