Die BWL gab die Opferrolle ab
Peter Mertens, Universität Erlangen-Nürnberg
Als die Kapazitätsgrenzen der WISO-Fakultäten wegen der starken Zunahme der Studienanfängerinnen und Studienanfänger deutlich überschritten wurden, entstand eine prekäre Situation. Die Gleichstellung mit anderen Studienrichtungen musste durch eine Klage auf Einführung des Numerus clausus hergestellt werden. Nach dessen Einführung wurden die Kapazitäten durch neue BWL-Lehrstühle, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultäten und auch ganze Hochschulen mit Schwerpunkt Wirtschaft stark erweitert.
In den 80er Jahren wuchs die Zahl der jungen Menschen mit Zugangsberechtigung zu Universitäten und Technischen Hochschulen sprunghaft, jedoch wurden die Aufnahmekapazitäten nicht entsprechend erweitert. In der Folge verhängten die Bildungsministerien über immer mehr Studiengänge den Numerus clausus, nicht aber für die BWL. Das Fach wurde daher eine Art „Überlaufbecken“ für Abiturientinnen und Abiturienten, die in ihrem Wunschfach, z. B. Pädagogik, Medizin, Rechtswissenschaften, Naturwissenschaften oder Ingenieurwissenschaften, keinen Studienplatz erhielten.
Die Verhältnisse in den Wirtschaftsfakultäten wurden unzumutbar. In meiner Fakultät führten wir diverse Experimente mit der Anmietung von großen Sälen für die Massenprüfungen im Grundstudium (in Nürnberg die Messehalle) durch. Die zuständigen Behörden mahnten, dass die Dozenten in Katastrophenfällen die Verantwortung für die sichere Räumung der völlig überfüllten Hörsäle zu tragen hätten, die Polizei wies die Bitte um Unterstützung zurück, der Rechnungshof monierte die Mietkosten für die Messehalle. In einer Podiumsdiskussion mit Landtagsabgeordneten erinnerte unser Elternvertreter daran, dass jeder Landwirt, der seine Tiere so eng in den Ställen zusammenpferchen würde, wie es mit den Studierenden im Hörsaal geschah, bestraft würde.
1988 zog eine „Dreierbande“ - der Leiter der Rechtsabteilung der Universität, Merker, der Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsrecht an der Nürnberger WISO-Fakultät, Helm, und ich als Kapazitätsbeauftragter der Fakultät - vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, um den NC einzuklagen. Mit Erfolg! Das Ministerium legte Berufung vor dem Bundesverwaltungsgericht ein, wieder siegten wir.
Am Tag nach der Urteilsverkündung telefonierte ich mit dem für Hochschulen zuständigen und indirekt sehr einflussreichen Redakteur der FAZ, Kurt Reumann. Dieser brachte einen längeren Artikel über das Geschehen und zeigte Sympathie für die BWL. Mein Vorgehen war nicht unumstritten. Meine eigene Tochter warf mir vor, dass ich jungen Menschen den Eintritt in die Universität verbaut hätte.
Am Ende ging die Rechnung auf: Neue BWL-Lehrstühle, ganze Wirtschaftsfakultäten, sogar Universitäten mit Schwerpunkt Wirtschaftswissenschaften wurden geschaffen. Jetzt ist die BWL nicht mehr das „Stiefkind“ unter den Studienrichtungen.